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»Sie denken wohl, Väterchen, Sie werden bald Generaladjutant werden, und dann mag das Regiment der Teufel holen! Uns ist es aber nicht gleichgültig, nicht wahr, Denissow?«

      Denissow schwieg hartnäckig und richtete seine glänzenden schwarzen Augen zuweilen auf Rostow.

      »Uns Alten ist die Ehre des Regiments teuer, und der Oberst weiß das, ach, wie teuer, Väterchen! Aber das ist nicht hübsch, das ist nicht schön, was Sie tun, Sie mögen es mir übelnehmen oder nicht, ich sage immer die Wahrheit, das ist nicht schön!«

      Der Rittmeister stand auf und wandte sich ab.

      »Zum Teufel, das ist wahr!« rief Denissow. »Nun, Rostow, nun?«

      Rostow sah bald erbleichend, bald errötend von einem zum anderen.

      »Nein meine Herren, nein … glauben Sie nicht … ich verstehe sehr wohl … für die Ehre des Regiments … nun, einerlei, ich will schuld sein!« Tränen standen in seinen Augen. »Ich bin der Schuldige! Nun, was wollt ihr noch?«

      »So ist's recht, Graf«, rief der Stabsrittmeister sich umwendend und klopfte ihm mit seiner großen Hand auf die Schulter.

      »Ich sage dir«, rief Denissow, »er ist ein prächtiger Junge!«

      »So ist's besser, Graf«, wiederholte der Stabsrittmeister, »gehen Sie hin und entschuldigen Sie sich, Erlaucht! Nun ja!«

      »Meine Herren, ich will alles tun, kein Mensch wird ein Wort von mir hören«, sagte Rostow mit flehender Stimme, »aber entschuldigen kann ich mich nicht, wirklich nicht. Wenn ich mich entschuldige, so bin ich wie ein kleiner Junge, der um Verzeihung bittet.«

      »Um so schlimmer für Sie«, sagte Kirsten. »Der Oberst ist rachsüchtig, Sie werden Ihren Eigensinn büßen.«

      »Das ist kein Eigensinn. Ich kann nicht beschreiben, was für ein Gefühl es ist, aber ich kann nicht.«

      »Nun, wie Sie wollen«, sagte der Stabsrittmeister. »Nun, und wo ist der Halunke hingekommen?« fragte er Denissow.

      »Er hat sich krank gemeldet, morgen wird er durch Tagesbefehl entlassen«, sagte Denissow.

      »Er muß krank sein«, bemerkte der Stabsrittmeister, »anders kann man es nicht erklären.«

      »Krank oder nicht krank, er soll mir nicht unter die Augen kommen, oder ich erwürge ihn!« rief Denissow blutgierig.

      Der Regimentsadjutant trat ins Zimmer.

      »Wie geht's«, begrüßten ihn die Offiziere.

      »Es geht los, meine Herren! Mack hat sich mit seiner ganzen Armee gefangengegeben!«

      »Du lügst!«

      »Ich habe ihn selbst gesehen.«

      »Was, du hast den lebendigen Mack gesehen mit Händen und Füßen?«

      »Der Feldzug beginnt! Gebt ihm eine Flasche für diese Neuigkeit!«

      »Es geht los, meine Herren, zu morgen ist der Aufbruch befohlen!«

      »Nun, Gott sei Dank, wir haben lange genug gesessen.«

      28

      Kutuso

      29

      w zog sich nach Wien zurück und brach hinter sich die Brücken über den Inn und die Traun ab. Am 28. Oktober überschritten die Russen die Enns. Die langen Wagenzüge, die Artillerie, die Kolonnen zogen sich um Mittag durch die Stadt Enns diesseits und jenseits der Brücke. Es war ein warmer und regnerischer Herbsttag. Von der Anhöhe, auf der die russischen Batterien standen, welche die Brücke verteidigten, öffnete sich eine weite Aussicht. Man sah die Stadt vor sich mit ihren weißen Häusern und roten Dächern, mit der Kirche und der Brücke. In der Ferne erblickte man ein Schloss an der Mündung der Enns in die Donau; man sah auch die Türme eines Klosters und weiterhin jenseits der Enns erschienen die Vorposten des Feindes. Zwischen den Geschützen auf der Anhöhe stand der die Nachhut führende General mit seiner Suite und betrachtete die Örtlichkeit durch ein Fernrohr. Etwas zur Seite saß Neswizki, welcher von dem Oberkommandierenden zur Nachhut gesandt worden war. Der Kosak, der ihn begleitete, reichte ihm seine Satteltasche, und Neswizki bewirtete die Offiziere mit Pasteten und echtem Doppelkümmel.

      »Das war kein Dummkopf, dieser österreichische Fürst, der sich dort ein Schloss gebaut hat. Eine prächtige Stelle! Warum essen Sie nicht, meine Herren?« sagte Neswizki.

      »Danke ergebenst, Fürst«, erwiderte einer der Offiziere, erfreut, mit einem so wichtigen Generalstabsoffizier zu reden. »Ja, es ist ein prächtiger Ort, wir sind am Park vorübergegangen, ein wundervolles Gebäude!«

      »Dorthin möchte ich«, sagte Neswizki und deutete nach dem Kloster. Er lachte und seine Augen funkelten. Auch die Offiziere lachten.

      »Nur, um die Nonnen ein bißchen zu erschrecken. Man sagt, es seien Italienerinnen und hübsche darunter. Ich würde fünf Jahre meines Lebens darum geben.«

      »Sie würden sich wohl langweilen«, sagte ein anderer lachend.

      Währenddessen hatte der Generalstabsoffizier den General auf etwas aufmerksam gemacht. Der General blickte durchs Fernrohr.

      »Richtig, richtig«, sagte er, »was zögern sie dort?«

      Jenseits sah man schon mit bloßem Auge den Feind und seine Batterien, aus welchen milchweißer Rauch aufstieg. Auf den Rauch folgte Kanonendonner und man sah, wie unsere Soldaten sich dem Übergang zudrängten.

      »Schlimme Geschichte! Sie haben sich verspätet.«

      »Soll ich hinreiten, Exzellenz?« fragte Neswizki.

      »Bitte, reiten Sie hin«, sagte der General, »und sagen Sie den Husaren, sie sollen zuletzt über die Brücke gehen und sie anzünden, wie ich schon befohlen habe.«

      »Sehr wohl«, erwiderte Neswizki. Er rief seinen Kosaken mit dem Pferde und hob seinen schweren Körper leicht in den Sattel. »Wirklich, ich reite zu den Nonnen«, sagte er lachend zu den Offizieren und ritt den gewundenen Pfad am Berge hinab.

      »Die Mannschaften an die Kanonen!« kommandierte der Offizier, und in einem Augenblick lief die Artillerie herbei und lud.

      »Nummer eins!« ertönte das Kommando.

      Mit metallischem Klang donnerte der Schuß, und über die Köpfe der Unsrigen unten am Berg flog pfeifend eine Granate hinüber.

      Die Gesichter der Soldaten und Offiziere erheiterten sich bei diesem Klang. In diesem Augenblick trat die Sonne aus den Wolken hervor, und der Donner des ersten Schusses und der helle Sonnenglanz vereinigten sich zu einem heiteren Eindruck.

      28

      Schon flogen zwei feindliche Granaten über die Brücke, auf welcher Gedränge entstand. Mitten auf der Brücke stand Fürst Neswizki. Er war vom Pferde gestiegen und vom Gedränge bis ans Geländer geschoben worden. Lachend sah er sich nach seinem Kosaken um, der mit den beiden Pferden am Zügel einige Schritte hinter ihm stand. Eben wollte Neswizki seinen Weg fortsetzen, als wieder Soldaten und Wagen ihn ans Geländer drängten, so daß ihm nichts übrigblieb, als zu warten.

      »Hört ihr da!« rief der Kosak. »Haltet euch links, damit der General vorüber kann.« Aber die Soldaten zogen Schulter an Schulter in einer dichten Masse über die Brücke.

      »Sind denn noch viele dort?« fragte hoffnungslos der Kosak.

      »Einer weniger als eine Million!« sagte lachend ein vorübergehender Soldat. Hinter ihm kamen vergnügte und augenscheinlich angetrunkene Soldaten.

      Nun kamen andere Fuhren, darunter ein Bauernwagen vom Lande, dem Anschein nach beladen mit einem ganzen Haus. An diesem Wagen war eine schöne bunte Kuh angebunden. Auf dem Wagen saßen zwei Frauen, eine ältere und ein rotwangiges

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